Du kennst mich nicht, aber Du warst in mir drin!

An dieser Schlagzeile bin ich kürzlich hängen geblieben – irgendetwas stimmt doch an diesem Satz nicht…..! So bin ich auf ein reales Ereignis gestossen, dass es eigentlich in der Realität gar nicht geben dürfte!

Es wäre wünschenswert, dass Du, die/der Du das jetzt liest, die Geschichte bereits kennst – jeder sollte davon gehört haben! Junger, weisser Mann, erfolgreicher Sportler, Stanford Student vergewaltigt eine junge, ebenfalls weisse und infolge Komasaufens bewusstlose Frau. Er wird erwischt und letztlich sogar verurteilt. Es ist schlimm genug, dass solche Dinge passieren, noch schlimmer ist, wie unsere Gesellschaft damit umgeht und schlichtweg skandalös und absolut inakzeptabel sind der Umgang mit der Situation und das Gebaren des Angeklagten, dessen Vater und Verteidiger und schliesslich vor allem die unverschämt milde Strafe! Zum ersten Mal empfinde ich es als sinnvoll, dieses amerikanische System, das Sexualverbrecher in einem öffentlichen und für jeden zugänglichen Register festhält (und letztlich so manchen Sexualverbrecher zum Opfer von Selbstjustiz besorgter Bürger werden lässt – dies befürworte ich hingegen nicht) – lebenslang gebrandmarkt ist in diesem Fall wenigstens etwas!

Offenbar war es dem Opfer erlaubt, nach der Urteilsverkündung eine Erklärung abzugeben. Diese Erklärung sollte Pflichtstoff werden an sämtlichen Schulen, jeder sollte diese gelesen haben!!! Sie zeigt gut verständlich und halbwegs nachvollziehbar, was in einem Vergewaltigungsopfer vorgeht und welchen Kampf diese Opfer gezwungen werden zu führen und dürfte damit helfen, das unbedingt notwendige Umdenken unserer Gesellschaft endlich voranzutreiben (wenn wir unsere Jugend eben entsprechend lehren).

Deshalb lies das, wenn Du es noch nicht getan hast!! (Und ja, dies ist ein Befehl)

Die Erklärung im Original:

https://www.buzzfeed.com/katiejmbaker/heres-the-powerful-letter-the-stanford-victim-read-to-her-ra?utm_term=.pakdzVQbv#.uxjy8WGMV

oder in deutscher Übersetzung:

https://www.buzzfeed.com/katiejmbaker/hier-ist-der-bewegende-brief-den-die-in-stanford-missbraucht?utm_term=.yb0zbAGve#.slJNzeKVn

 

 

Was wohl in den Tätern dieses Falles vorgegangen ist, während sie dieser Erklärung lauschen mussten? Haben sie überhaupt zugehört oder feige „auf Durchzug“ gestellt? Haben sie sich gewunden und unwohl gefühlt während dieses langen Monologs? Hatten sie wenigstens den Anstand, sich zu schämen? Sind sie sich insgeheim ihrer Schuld bewusst und gestehen sich diese wenigstens sich selber gegenüber ein? Vermutlich nicht!

Das Schreiben des Vaters an den Richter zeigt ziemlich deutlich, dass er die Schuld allein dem Opfer gibt, nicht seinem Sohn, der nun gezeichnet ist für sein Leben (der arme Kerl!) und schon gar nicht seiner Erziehung. Der Sohn, der so hart gekämpft hat für seine Träume, die nun alle zunichte gemacht wurden, der nun keinen Appetit mehr hat und seine Lebensfreude verloren hat – wenn das mal nicht genug Strafe ist für 20min Action. Was muss die Frau auch so ein Theater machen wegen eines kleinen unbedachten einmaligen Fehlers in unzurechnungsfähigem Zustand!

Was mag in Turners Anwalt vorgegangen sein? Jeder hat ein Anrecht auf die beste Verteidigung (auch wenn das manchmal wirklich schade ist), doch würde jeder Anwalt dies zu erreichen versuchen, indem er das Opfer diskreditiert und versucht, aus dem Opfer einen Täter zu machen? Ist ein solches Vorgehen wirklich akzeptabel und gerechtfertigt mit dem Wohl des eigenen Mandanten? Ich habe da so meine Mühe damit. Diese (amerikanischen) Verteidigungsstrategien sind schlichtweg unter aller Sau und menschenunwürdig! Mag sein, dass dies zu subjektiv ist, mag sein, dass ich es anders empfinden würde, wenn der Opferanwalt den Täter ebenso behandelt hat, doch grundsätzlich versuche ich dem Prinzip des Anstands und des gegenseitigen Respekts zu folgen. Daher bin ich überzeugt, dass auch eine gute Verteidigung möglich wäre, wenn sie auf diesen Grundsätzen aufgebaut wäre.

Und schliesslich die Frage, was im Richter vorgegangen ist, der dieses unerklärlich milde Urteil gesprochen hat? Hatte er am Ende ein schlechtes Gewissen? Hat er realisiert, dass er sich zu einseitig hat beeinflussen lassen? Oder hat auch er sich über das Opfer und ihre Rede geärgert und diese als nicht zu rechtfertigende Frechheit empfunden? Nebenbei, seine Rechtfertigung für die milde Strafe basiert offenbar auf dem Schreiben einer Freundin des Täters – was tut es denn zur Sache, dass der Täter nicht das sprichwörtliche Monster ist? Wenn ein Mensch einen Mord begeht, lassen wir ihn dann mit einer Bewährungsstrafe davonkommen, weil er von seinen Freunden geliebt wird? Zudem gibt es bei Totschlag oder Mord manchmal Umstände, bei denen man die Tat verstehen kann (wenn bspw. ein Vergewaltigungsopfer seinen Peiniger umbringt, nachdem dieser straffrei davongekommen ist….) – ich wüsste nicht, dass man das bei Vergewaltigung auch sagen könnte, hierfür gibt es nach meinem Ermessen schlichtweg nie einen Grund und somit auch keine mildernden Umstände!

Sie alle sind an den Pranger zu stellen: Brock Turner, Dan Turner, der Anwalt und Aaron Persky! Sie alle sollten lebenslang als Vergewaltiger registriert werden, für jeden zugänglich. Der eine hat’s getan (dazu gibt es ein Urteil), die anderen haben im übertragenen Sinne nachgedoppelt – das ist die Sichtweise und das Empfinden, welche in unserer Gesellschaft verbreitet und in den von ihr gesetzten Regeln zum Ausdruck kommen sollten!

 

Ich bin überrascht, wie fair und verhältnismässig rational diese Erklärung abgefasst ist. Das ist kein selbstbemitleidendes Gejammer, keine Aneinanderreihung von trotzigen Anklagen (obwohl beides verständlich wäre) und davor ziehe ich den Hut! Sie ist lang, sehr, sehr, sehr lang, die Wiederholungen beinahe unerträglich – ein Versuch, dem Angeklagten zu vermitteln, dass er nicht für zu viel Alkoholkonsum schuldig gesprochen wurde sondern für Vergewaltigung. Es fällt schwer nachzuvollziehen, dass er, dass irgendjemand noch immer nicht begreift! Doch genau davon muss man ausgehen, wenn man das Verhalten dieser Täter betrachtet, wenn man deren Reaktionen (auf das Urteil) liest und schlimmer noch, wenn man die Kommentare zu den diversen Artikeln liest, welche momentan in diesem Zusammenhang in den Medien erscheinen! („Gut verständlich“ (meine Beschreibung der Erklärung des Opfers) trifft es damit wohl doch nicht so ganz…..) Vermeintlich ganz normale Menschen, zumindest keine von der Geschichte entlarvten Diktatoren oder von Psychiatern diagnostizierte Soziopathen hinterfragen das Opfer, stellen sich mehr oder weniger deutlich auf die Seite des Vaters und/oder des Täters, verharmlosen die Tat!! Wenn man bedenkt, dass jede 5. Frau einmal in ihrem Leben Opfer eines sexuellen Übergriffs wird, überraschen diese Reaktionen, dieses Denken allerdings nicht mehr. Irgendwer muss diese Übergriffe ja begehen. Jede 5. Frau!!! Und die (deutsche) Justiz bringt es sogar fertig, ein Vergewaltigungsopfer letztlich als Täterin anzuklagen! Was für ein Spiegel unserer Gesellschaft!!!

 
Wenn das Opfer zu einer Rekordbusse von €24’000 verurteilt wird….:

http://www.stern.de/lifestyle/leute/gina-lisa-lohfink–chronik-einer-angekuendigten-schaendung-6888744.html

 

Oder wenn die Elternliebe als Rechtfertigung angeführt wird….:

Einer der Kommentatoren meinte lapidar, dass es doch normal sei, dass Eltern ihren Kindern beistehen würden und man dem Vater keinen Vorwurf machen könne – natürlich sollen Eltern ihren Kindern beistehen! Dagegen ist nichts einzuwenden. Die Frage ist doch aber wie! Darf man es als Elternliebe abtun, wenn sie den Sohn darin bestärken, er hätte nichts Falsches getan, er sei das Opfer, das in jugendlichem Leichtsinn einen Fehler begangen hat, wenn dieser eine Frau vergewaltigt hat? Gehört nicht zu einer guten Erziehung, seinen Sprösslingen beizubringen, was richtig und was falsch ist und dass man die Verantwortung übernehmen muss, wenn man einen Fehler gemacht hat? (Wir wollen nicht vergessen, dass die Schuld des Täters in diesem Fall bewiesen wurde, das war kein Indizienfall!)

Und immer wieder die Mitschuld des Opfers…..:

In einem weiteren Kommentar (stellvertretend für viele, die in diese Richtung zielen) wurde doch tatsächlich gefragt, ob die Komasauferei des Opfers, die schliesslich zu dessen Bewusstlosigkeit führte, nicht als Beihilfe eingestuft werden müsse??! Was um alles in der Welt ist denn das für eine verdrehte Denkweise? Sex ist nun einmal nur „legal“, wenn er in beiderseitigem Einverständnis stattfindet und wie bitte schön soll eine bewusstlose Person ihr Einverständnis kundtun? So einfach ist das! Da gibt es kein Meinen oder Interpretieren, ohne ein klares Ja läuft nichts, punkt! Wer etwas Anderes behauptet, hat’s noch immer nicht verstanden.

Quelle: Youtube

Es war nirgendwo Thema und bei der ausführlichen Standardprozedur an Untersuchungen, die (in den USA) nach einer Vergewaltigung durchgeführt wird, darf man wohl davon ausgehen, dass das Blut des Opfers auch auf K.O.-Tropfen untersucht worden ist und das Resultat negativ war. Doch hat uns unser kleiner Schweizer Politfall (wenn ich mich korrekt erinnere, ging es um eine grüne Politikerin und einen SVP-Mann, beide aus dem Kanton Zug) gelehrt, dass K.O.-Tropfen nicht allzu lange im Blut nachgewiesen werden können. Wer weiss also, wie stark selbstverschuldet die Bewusstlosigkeit und das Blackout des Opfers wirklich waren? Allein unser Wissen, dass diese missbräuchliche Verwendung von „medizinischen Hilfsmitteln“ in diesem Zusammenhang vorkommen kann, sollte uns demütige Zurückhaltung üben lassen mit solchen „Beihilfsbeschuldigungen“!

Wenn das Opfer nicht „mit dabei“ ist

Ich habe vor einiger Zeit einen Bericht über Vergewaltigungsopfer nach Verabreichung von K.O.-Tropfen gesehen und zusammen nun mit der Erklärung des Brock Turner-Opfers fühlt es sich an, als würden mir die Fingernägel ge- und gleichzeitig die Haut abgezogen, beim Versuch nachzuempfinden, wie es sein muss, wenn man im Geiste absolut keine Erinnerung an ein schlimmes Erlebnis hat, wenn sich nur der Körper daran erinnert. Wir sind es nicht gewohnt, etwas ohne Verstand zu erfassen. Nun auf brutalste Weise zu lernen, die Signale des Körpers zu verstehen, muss alles noch viel schlimmer und schwieriger machen! Versucht das einmal nachzuempfinden! Gerade der Umstand der Bewusstlosigkeit des Opfers müsste eigentlich dazu führen, dass die Strafe höher als im Durchschnitt ausfällt. Denn die Qual des Opfers ist dadurch massiv grösser, die Verarbeitung und damit die Heilung werden merklich erschwert! Muss ich das hier wirklich erwähnen? Offenbar schon, konnte ich nämlich bei den Kommentaren auch die Frage lesen, wie denn ein Richter etwas bestrafen solle, an das sich das Opfer gar nicht erinnern könne – ganz nach dem Motto, was du nicht weisst, macht dich doch auch nicht heiss? Stell Dir mal vor, Du wachst auf und hast einen zerschundenen Körper und keine Ahnung, warum! Ups, da wird mich wohl gestern jemand verprügelt haben, doch was soll’s, war ja quasi nicht mit dabei….!

Ganz zu schweigen davon, dass dieser Umstand den Täter auch nach der Tat, insbesondere beim Prozess, wiederum in eine Machtposition bringt. Bei einer Vergewaltigung geht es nicht wirklich um Sex, es geht um Machtausübung, und es kann nur als unerhörter Affront empfunden werden, dass das Machtverhältnis zwischen Täter und Opfer über die Tat hinaus bestehen bleibt! „Well, we’ll let Brock fill it in“ …… (Zitat aus der Erklärung des Opfers)

 

Aus den Kommentaren zu genanntem Artikel geht auch hervor, dass sich einige Männer offenbar angegriffen gefühlt haben, von wegen, man würde ihnen unterstellen, weil sie Männer seien, könnten sie sich nicht in das Opfer hineinfühlen und deren Qualen nicht nachvollziehen. Dazu möchte ich anfügen: ich bin eine Frau, eine nicht vergewaltigte Frau und ich konnte es nicht! Bzw. ich kann es vermutlich immer noch nicht wirklich. Die Erklärung des Opfers geht durch Mark und Bein und vermittelt ein ungefähres Bild des Gefühlszustands eines solchen Opfers, aber ich bin sicher, das wahre Ausmass eines solchen Erlebnisses können wir alle, die wir so etwas – zum Glück! – nie erleben mussten, nicht wirklich nachvollziehen, nicht nacherleben oder uns nicht hineinfühlen! Gerade deshalb müsste es eigentlich an den Opfern sein, das gesetzliche Strafmass für derartige Verbrechen im Grundsatz festzulegen (und nicht am Gesetzgeber, sprich den Volksvertretern, die sowieso noch nicht verstanden haben, was die genaue Bedeutung von Volksvertreter eigentlich meint). Auf jeden Fall müsste die Mindeststrafe für sexuelle Gewalttaten viel höher liegen, um ein reales Bild der Schwere dieser Straftat zu vermitteln und um der Tatsache gerecht zu werden, dass eine Vergewaltigung noch nicht vorbei ist, wenn sie vorbei ist. Nicht selten müssen sich Vergewaltigungsopfer immer wieder rechtfertigen, sich demütigen lassen und vor allem müssen sie die Tat immer und immer wieder durchleben, bei der Befragung, beim Prozess, aufgrund der Medien.

Vergewaltigung – ein Kavaliersdelikt!

Schon so oft habe ich mich geärgert über die verhängten Strafen im Zusammenhang mit Vergewaltigung. Denn dieser Fall ist wahrlich kein Einzelfall und scheint mir gerade in der Schweiz beinahe Normalzustand (auch ohne dass der Vater des Täters dem Richter einen Brief schreibt – unsere Richter kriegen das auch ganz alleine hin). Tatsächlich sitzt ein verurteilter Sexualverbrecher in den USA durchschnittlich 11j. Gemäss einer im TA (online-Artikel „Härtere Strafen für Sexualdelikte“ vom 13.10.2014) zitierten Studie liegen in der Schweiz die durchschnittlichen Strafen (für die Jahre 2000 bis 2009) für Vergewaltigung bei 1’179d, für sexuelle Nötigung gar nur bei 876d. Kein Wunder, wird eine Vergewaltigung als Kavaliersdelikt wahrgenommen.

Da wird einem immer vermittelt, dass die Unversehrtheit von Leib und Leben in unserer Gesellschaft so einen hohen Stellenwert hat! Wie kann es dann sein, dass eine Körperverletzung in Verbindung mit einer lebenslänglichen seelischen Verletzung, ein solch tiefer Einschnitt in ein Leben, der vielleicht nicht immer mit Vorsatz (im gesetzgeberischen Sinn), aber doch immer mit menschenverachtender Brutalität und Machtausübung einhergeht, dass ein derartiges Verbrechen so milde und schwach geahndet wird? Weil das Opfer selbst Schuld ist!

Ich glaube….ich muss daran glauben, dass die überwiegende Mehrheit unserer Gesellschaft nicht bewusst so denkt, doch sind wir ganz, ganz tief geprägt von einem uralten Denken: „Bis vor wenigen Jahren galt eine vergewaltigte Frau als „geschändet“, also mit Schande behaftet. Der Makel der Tat wurde auf das Opfer übertragen, das fortan als „beschmutzt“ galt, als im Wert geminderte, beschädigte Ware, als „Schande“.“ (Zitat Stern-online-Artikel „Die Chronik einer Schändung“ vom 8.06.2016) Auf dem Papier mag das heute nicht mehr gelten, unser Denken und Empfinden sind aber nach wie vor davon beeinflusst. So ist es eine Tatsache, dass sich die meisten Vergewaltigungsopfer schämen und sich nicht selten selber die Schuld geben dafür, dass sie vergewaltigt wurden. Und genauso tun es alle anderen auch….!

 

Noch heute wird den Frauen vermittelt, dass sie sich nicht zu freizügig kleiden sollen, weil sie ansonsten Gefahr laufen könnten, einen Mann zu sehr zu reizen. Noch heute wird einer Frau ihr Verhalten zur Last gelegt, wenn sie bspw. mit ihrem späteren Peiniger geflirtet oder ihn „angemacht“ hat. Der arme Mann, der so triebgesteuert ist, dass er sich nicht beherrschen kann – wollt Ihr wirklich, dass man ein solches Bild von Euch hat? Und die Frau, sie ist die böse Verführerin, die angeklagte Eva, die die Menschheit aus dem Paradies geworfen hat – wieso gibt eigentlich niemand Adam die Schuld dafür, dass er zu schwach war zu widerstehen? Wieso gilt Verführung als Verbrechen oder zumindest als Entschuldigung für ein solches? Weil Männer nicht damit umgehen können, dass sie dagegen nicht ankommen, ausgenommen mit brachialer Gewalt? Oder entstammt das auch wieder so einem mittelalterlichen Kirchendogma, wonach der Mensch, das einfache Volk kein Genuss, kein Hochgefühl, keine Freude kennen darf (sie könnten ja ansonsten nicht mehr gehorchen)? Was tun die sexuellen Reize und die Verführungskünste eines Opfers überhaupt zur Sache, wo es doch eigentlich um Machtdemonstration geht?

Ich bin mir bewusst, dass es auch männliche Vergewaltigungsopfer gibt, sie sind allerdings stark in der Minderheit. Zudem gehe ich davon aus, dass auch diese meist Opfer von männlichen Tätern sind, allein aufgrund der Tatsache, dass es für eine Frau aus physischen Gründen recht schwierig ist, einen Mann zu vergewaltigen. Doch selbst das kommt offenbar vor. Mit den Hintergründen solcher Taten habe ich mich jedoch zu wenig befasst, um mich an dieser Stelle dazu äussern zu können. So mögen die Motive und „Entschuldigungen“ von Täterinnen evt. anderswo liegen, die Konsequenzen für die Opfer bleiben jedoch immer die gleichen. Diese Anklage schliesst daher alle Täter mit ein, vor allem aber gilt sie der Gesellschaft!

 
Um den Bürgern klar zu machen, dass Autofahren in angetrunkenem Zustand kein Kavaliersdelikt ist, wurden die Promillegrenze herabgesetzt und die Strafen verschärft. Es wird Zeit, dass man diese Massnahmen auch bei sexueller Gewalt umsetzt! Denn nichts Anderes vermitteln diese milden Strafen, als dass die begangene Tat gar nicht so schlimm war – was für ein Hohn! Kommt dazu, dass es in vielen Fällen zu keiner Verurteilung kommt, weil oft die Beweise fehlen oder ungenügend sind und Aussage gegen Aussage steht. In dubio pro reo! Eigentlich ein Grundsatz, den ich unterstütze. Doch wenn man gegen Jahrhunderte überdauerte Einstellungen ankämpfen muss, wird es wahrscheinlich Zeit, diesen Grundsatz etwas anzupassen. Grad wo das Opfer oft zum Täter gemacht wird – sind wir doch zur Abwechslung im Zweifel auf der Seite des „Opfer-Täters“. Wieso nicht im Grundsatz lieber einen unschuldig verurteilten Vergewaltiger als ein ungesühntes Vergewaltigungsopfer? Natürlich würde auch das zu Ungerechtigkeiten führen. Natürlich würde das so manchem Racheengel ein Werkzeug in die Hand legen gegen den verhassten Ex-Partner oder den Angehimmelten, der einem verschmäht hat. Natürlich würde es das! So what? All die Opfer der vergangenen Jahrzehnte oder Jahrhunderte, die nicht zu ihrem Recht gekommen sind, die gedemütigt, ausgegrenzt, gequält oder gar noch bestraft wurden, haben wir ja auch hingenommen…. Und das Gesetz ist bekanntlich nicht gerecht, genau wie das Leben auch nicht und manchmal trifft es halt die Falschen, nur sollten es zukünftig für einmal die anderen Falschen sein….!

 

In dubio pro reo! Und damit geht der Oscar für die beste Hauptdarstellerin an…. Luana?

http://www.watson.ch/Schweiz/Best%20of%20watson/472999060-«Er-ist-unschuldig-»-–-wie-Luanas-Traum-von-der-Freiheit-vor-dem-Aargauer-Obergericht-jäh-platzte

 

Ha Noi, VIE – ein erstes Fazit zu Vietnam

War ich die ersten Tage in administrativen Angelegenheiten und ansonsten eher ziellos in der Stadt unterwegs, habe ich mich gegen Ende meiner Zeit in Ha Noi etwas zusammengerissen und mir noch ein paar Sehenswürdigkeiten mehr ‚reingezogen. Dabei durfte das Hoa Lo-Prison natürlich nicht fehlen – irgendetwas Makabres muss immer sein ?. Ein Grossteil dieses Monstrums hatte allerdings bereits vor Jahren einem Geschäftshaus weichen müssen, heute steht nur noch ein kleiner Teil davon und so verhält es sich auch mit der „Museumsausstellung“. Resp. man könnte auch sagen, meine Erwartungen waren einfach falsch. Es geht in der Ausstellung hauptsächlich um die beiden Kriege (den französischen und den amerikanischen, nicht die beiden Weltkriege) und nur zu einem ganz kleinen Teil um das Gefängnis selber – ist ja auch schwierig, wenn nichts mehr davon steht. Und die „Gefängnisstories“ wiederum beinhalten hauptsächlich eine Aufzählung all der späteren hohen Regierungstiere in Vietnam, welche in diesem Gefängnis dahinvegetierten und dabei NIEMALS ihre kommunistische Überzeugung verloren haben – und gemäss der erhaltenen Informationen erscheint es mir doch recht überraschend, dass diese überhaupt überlebt haben. Erinnert ein wenig an Ausschwitz-Birkenau. Auf jeden Fall wird deutlich, dass die französischen Kolonialherren (Erbauer des Gefängnisses) die Einheimischen auch als „Untermenschen“ betrachtet haben. Allerdings war das ja wohl normal für das Gebaren von Kolonialherren und daher ist es heute auch kein Thema mehr….(oder liegt vielleicht daran, dass wir unsere Sichtweise noch immer nicht geändert haben, nur unser Verhalten ist etwas Menschlicher geworden?)  Schmunzeln musste ich hingegen bei der Ausstellung zur Zeit des amerikanischen Krieges, als die amerikanischen Soldaten dort eingesperrt wurden. Fotos von Weihnachtsfeiern und wie die Soldaten friedlich und vergnügt zusammensitzen und Brettspiele oder Karten spielen…. Passt nicht so ganz zu den Bildern, die wir aus den amerikanischen Filmen kennen ? – Propaganda überall!

Der originalgetreue Eingang des Gefängnisses

Weiter war ich im Literaturtempel. Die Bezeichnung Tempel ist etwas irreführend, da es eigentlich eine Universität (die erste von Ha Noi) für die höheren Söhne der damaligen Zeit war, gegründet von einem der Könige im 11. Jh.  Mit der Verlegung der Hauptstadt nach Hue 1807 verlor die Ausbildungsstätte ihren Status. Die letzten Prüfungen wurden 1915 abgelegt. Aufgrund der darauffolgenden Kriege (und entsprechenden Bombardements vor allem durch die Amerikaner) steht heute nicht mehr viel von den ursprünglichen Gebäuden, praktisch alles open-air. Doch obwohl mitten in der Stadt gelegen, ist es unheimlich ruhig und friedlich innerhalb dieser Mauern, trotz der vielen Touristen. Es ist denn auch nach wie vor eine Gebetsstätte für Konfuzius‘ Anhänger. Und so erinnert es – aus westlicher Sicht? – doch stark an einem Tempel.

Das Alumni-Verzeichnis  

Konfuzius ist der Grösste

 

Ach ja, die Vietnamesen lieben Karaoke und Federball. Beides trifft man regelmässig und besonders die Federballspieler meist an den unmöglichsten Orten an – die Vietnamesen können überall Federball spielen! Es ist beinahe ein Wunder, dass sie es nicht auch noch mitten auf einer Strassenkreuzung tun. Erinnert mich ein wenig an meine Kindheit, es gab da ‚mal so eine Phase, da waren wir (offenbar) auch vietnamesisch drauf….?  Kaffee lieben sie auch, allerdings geht es eher in Richtung türkischer Kaffee als den unsrigen. Und vietnamesischer Kaffee mit Milch ist normalerweise mit Kondensmilch. Oder anders gesagt, wenn du ihn erhältst, willst du zuerst reklammieren, weil du denkst, die Milch sei vergessen gegangen. Wenn du dann im Kaffee herumrührst, bereust du es ziemlich schnell, weil er dadurch zu einer unglaublich süssen gelartigen Melasse wird…. nicht wirklich zu empfehlen. Was die Franzosen den Vietnamesen Gutes hinterlassen haben, ist das Brot. Im Gegensatz zu Thailand oder Indien findet sich hier nicht nur Toastbrot, sondern an jeder Ecke wunderbare Baguetts sowie auch Pains au Chocolat und jede Menge Quiches. Und schliesslich – erwähnt als Tribut an eine gute Freundin ? – sind sie grosse Kunstfreunde, Galerien gibt es zu tausenden in Ha Noi.

 

 

Der Stadtsee, Hoan Kiem-Lake, dient scheinbar als eine Art Freiluftsprachschule. Als ich mich dort aufhielt, wurde ich ständig angesprochen, ob ich Zeit hätte. In der Annahme, man wolle mir etwas verkaufen, habe ich natürlich erst einmal verneint. Aber dann kam ein kleines Mädchen, hat sich einfach neben mich gesetzt und angefangen, mir 1’000 Fragen auf englisch zu stellen. Ich bin sicher, sie hat kaum eine meiner Antworten verstanden. Aber ich vermute, darum ging es ihr auch gar nicht, sie wollte einfach etwas Konversation üben. Auch sie hat von Federball erzählt, natürlich von Weihnachten, worauf sie sich freut, weil sie dann Geschenke erhält und sie steht auf Taylor Swift ? (wie könnte es anders sein!). Später hat sie noch ihre Mutter dazugeholt, welche sich auf der anderen Seite neben mich gesetzt hat und da – so eng eingepackt zwischen den beiden Frauen – war ich mir dann nicht mehr so sicher, ob ich mich noch wohl fühlen soll oder nicht, wo das wohl enden würde. Sie haben sich jedoch bald darauf verabschiedet und als ich mich das nächste Mal an diesem See auf die Frage, ob ich Zeit hätte, eingelassen habe, ging es wiederum nur darum, englisch zu sprechen. Wie angedeutet, man kann es nicht wirklich Gespräch nennen, du wirst einfach befragt, woher du kommst, wohin du gehst, wie dir Vietnam gefällt natürlich, welche Farbe du magst, welche Musik, welchen Sport etc. Die Schweiz ist den Vietnamesen in Ha Noi übrigens vollkommen unbekannt, sofern der jeweilige Vietnamese nicht im Tourismus arbeitet. Interessanterweise wollen sie auch Frankreich nicht kennen…. wenn’s um Europa geht, fragen sie sogleich nach den UK. Etwas Anderes scheint in Europa nicht existent.

Ich war hier noch in keinem, von aussen stehen die hiesigen Einkaufszentren den unsrigen jedoch in nichts nach. Auch bekommt man eigentlich alles, was man sucht. Vielleicht nicht mit dem gleichen Markennamen wie zu Hause und manchmal dauert es auch ein wenig, bis man erkennt – wie es halt so sein kann im Ausland – aber letztlich ist alles da. So tue ich mich denn etwas schwer, den Kommunismus zu „finden“. Das bestätigen auch andere Westler und selbst den Vietnamesen fällt es schwer, „ihren Kommunismus“ zu erklären. Wirtschaftlich ist hier alles möglich, wie es scheint. Längst nicht mehr alle Betriebe sind staatlich, im Gegenteil, diese sind vermutlich sogar mittlerweile in der Minderheit. Übrig geblieben scheint nur das Einparteiensystem und die Überlegenheit der Regierungsmitglieder, wie es mir von China her bekannt ist. Sie scheinen den Chinesen denn auch nahe, nur mit dem Aufbegehren gegen die Regierung liegen sie noch etwas zurück. Doch die jungen Vietnamesen beginnen sich gegen die Unterdrückung im Sinne des Gehorsams zu wehren. Interessant daran ist, dass der Staat sich in gewisser Weise selber „zerfleischt“. So schicken sie die Jungen auf Kosten des Staates zum Studieren ins Ausland und genau diese Rückkehrer sind es, die sich dem Gehorsam nicht länger unterwerfen wollen. Es wird interessant sein, die Entwicklung dieser Gesellschaft in den nächsten 10j zu verfolgen! Eine Vietnamesin Ende 20 hat mir erzählt, sie wolle keinen Vietnamesen zum Mann. Denn in Vietnam müsse man die Eltern und Schwiegereltern respektieren, egal ob man sie leiden könne oder nicht (ähnlich zu Indien ziehen Frauen nach der Heirat in den Haushalt der Schwiegereltern – wär auch nicht mein Ding ?). Welche weiteren Gründe den Wunsch nach einem Mann aus dem Westen verstärken, lassen wir nun einmal dahingestellt. Ich finde, die Aussage zeigt sehr schön die Konflikte, die in einer sich zu schnell verändernden und stark von aussen (dem Westen) beeinflussten Gesellschaft entstehen. Wenn sich die Frauen weigern, in den Haushalt der Schwiegermutter einzuziehen, weil sie sich dort unterordnen müssen, geht das System nicht mehr auf (Altersvorsorge!). Dass es dazu Alternativen gibt, hat das neue Denken bewirkt, Dank sei dem Tourismus, der Globalisierung, dem Internet (soweit ich feststellen kann, blockt die vietnamesische Regierung bis anhin nichts im Internet).

Aber eigentlich war ich ja beim Einkaufen. In der Altstadt von Ha Noi gibt es keinen Platz für Einkaufszentren – man spricht vom Goldenen Slum, die Menschen wollen nicht wegziehen (u. a. wegen der Wertsteigerung) und zusätzlich zieht es immer mehr Menschen dorthin, der Platz lässt sich aber nicht ausdehnen und so haben die Bodenpreise denn auch schon beinahe Schweizer Niveau erreicht! (Und wieder, wo ist hier der Kommunismus, da gehörte der Boden doch eigentlich dem Staat?) Und so herrschen in Ha Noi noch die Strassenzeilen vor, in denen sich ein Geschäft ans nächste drängt, zudem gibt es mehrere Markthallen (vergleichbar mit Covent Garden).

Alltag

Hier musste ich an Samira denken (auch wenn sie da mittlerweile wohl nicht mehr reinpasst und diese Kleidchen sicherlich genauso schrecklich findet wie ich) ?

Der Nachtmarkt am Wochenende (abgesperrt und theoretisch nur für Fussgänger, aber Mopeds kommen überall durch) 


Katzen gibt es hier jede Menge, mehr als Hunde. Oft gehört eine zum Restaurant. In meinem Lieblingscafé hatten sie eine noch ganz junge. Mit der habe ich mich im Laufe der Zeit angefreundet und zum Schluss sass sie sogar auf meinem Schoss, während ich gebloggt habe und hat friedlich vor sich hingeschnurrt. Wie es Katzen jedoch so an sich haben, sie hat mir meine Jeans zerlöchert…. Zu meinem Elend wird es diese Hose wohl kaum bis zum Ende meiner Reise machen. Das liegt in erster Linie sicher an den hiesigen Waschmaschinen/Tumblern, die Katzenkrallen waren jedoch nicht gerade förderlich.?

Mittlerweile habe ich auch herausgefunden, weshalb man die Vietnamesen so schlecht versteht: sie sprechen das „S“ nicht. Wenn du also wieder einmal nicht verstehst, versuch an den passenden Stellen ein S reinzupacken und oft ergibt die Aussage dann einen Sinn, was bspw. wie „fööt“ klingt, meint nach meiner Erfahrung „first“ ?  (Standardfrage der Vietnamesen, ob man das erste Mal in Vietnam ist).

Trotz mehrfacher Versuche gelingt es mir nicht wirklich, in Worte zu fassen, was mir an Ha Noi denn so gefällt, warum ich mich hier so wohl fühle. Wobei dies wohl das Stichwort ist: ich fühle mich hier einfach wohl. Es ist ein bisschen wie Schuhe kaufen, ein Blick aufs Regal genügt, um zu wissen, ob es sich lohnt, hier etwas anzuprobieren oder ob man das Geschäft gleich wieder verlassen kann (meine Mutter kann aus meinen Kindertagen davon ein Liedchen singen ?). So ähnlich verhält es sich bei mir auch bei Orten, einmal kurz „durchschnuppern“ genügt, um zu wissen, ob man sich hier niederlassen wollte oder doch lieber bald wieder weiterziehen will. Wieviel davon korrekte Intuition und wieviel falsches Vorurteil ist, sei einmal dahin gestellt. Ist ja vermutlich auch gar nicht so wichtig, da ein endgültiges Niederlassen sowieso nicht zur Debatte steht ?. Ein Grund für die Faszination liegt sicherlich in der Diskrepanz zwischen dieser gewissen Ruhe und dem für Asien üblichen lautstarken Chaos – zwei Gegensätze, die sich hier auf wunderbare Weise verbinden oder auch nebenher gehen, mal so, mal so. Die Menschen sind oft erst einmal zurückhaltend – das absolute Gegenteil vom Amerikaner, der gleich nach 5min. dein bester Freund ist. Doch wenn sie entschieden haben, sich zu öffnen, können sie unglaublich herzlich sein. Und manchmal auch überraschend fürsorglich, so hat mich eine alte Dame beim Überqueren der Strasse auch schon einfach an der Hand genommen und mich über die Strasse geführt. Sie sind auch recht „touchy“, Berührungsängste sollte man hier keine haben. Eine Umarmung zum Abschied ist nicht selten – natürlich nur von Frauen (wobei das an mir bzw. meinem Geschlecht liegt, unser Guide bei der Ha Long-Tour ging bei den männlichen Teilnehmern genauso auf brüderliche Tuchfühlung).

Ha Noi, wenn Du keinen Winter kennen würdest, wärst Du vermutlich mein Favorit…!?

 

Phuket, THA – Vorteile und Vorurteile

Wow, die Resonanz war ja berauschend! Ein herzliches Dankeschön für all die lieben Nachrichten und guten Wünsche!! Ich hoffe, es gelingt mir, weiterhin zu unterhalten. Ich konnte mich eigentlich nie so richtig für die Reiseberichte von anderen begeistern – insofern bin ich hier etwas inkonsequent, das Führen eines konventionellen Tagebuchs vielleicht eher angezeigt, aber ich bin nun einmal so frei und belasse es, wie es ist… ?

Von Erlebnissen in dem Sinn kann ich noch nicht berichten, dazu liess ich es nicht kommen ? – still und leise widme ich mich der Beobachtung und fröhne damit meinem Hang zur Soziologie. Und geniesse dieses Klima und das (für mich) damit verbundene Ferien-Feeling! Ich bin so unglaublich begeistert von Thailand oder zumindest von dem kleinen Fleckchen Erde, auf dem ich mich zur Zeit bewege! Sicherlich hängt das stark mit meinen Vorurteilen zu Thailand zusammen, die so mächtig widerlegt wurden (auch wenn ich mittlerweile weiss, dass diese nicht komplett falsch waren). Thailand oder sagen wir, Phuket, war für mich das Mallorca von Asien, mit dem Unterschied, dass sich auf Mallorca tendenziell die gleichen Nationen oder zumindest die gleichen Kulturen per Urlaubsflirt paaren und hier die Einheimischen gekauft werden. Sextourismus find ich übrigens soziologisch unheimlich interessant – ich bin diesbezüglich für mich noch nicht zum Schluss gekommen, wer wen mehr ausnutzt. Aber lassen wir das Wissenschaftliche, es würde momentan zu weit führen. Mallorca steht für mich für ein anderes Thema: den totalen Touristenort. Das hatte ich erwartet und wurde eines Besseren belehrt! Zumindest bis Patong….

DAS ist ja so gar nicht mein Ding! DAS entspricht genau meinem Vorurteil des überdrehten, künstlichen Touristenorts. Der könnte überall stehen bzw. liegen. Es braucht einen Strand, das entsprechende Klima und gaaaaaaaanz viel westlichen Komfort und sie sind alle austauschbar. Wenn ich 12h Flug hinter mir habe und die Speisekarten auf deutsch sind, dann stimmt doch einfach etwas nicht mehr. Gruselig! Ich bin weiss Gott gerne in meinem Zuhause, aber deswegen nehm ich es doch nicht mit in die Ferien. Kolonialisierung des 21. Jahrhunderts! Ich also kurz einmal durchgefahren und gleich wieder umgedreht…. zurück in mein thailändisches Zuhause, dass all meine Vorurteile lügen straft! Mein kleines Paradies, mein kleiner Kokon, der alles Negative von mir fernhält und mich in Watte packt. Gott geht’s mir gut!! ?

Allerdings befinde ich mich natürlich auch nicht im thailändischen Hinterland, wo sie noch nie eine Weisse gesehen haben (ein solcher Ort existiert in Thailand vermutlich gar nicht mehr?). Ich wohne auch in einem Hotel, gemacht für Touristen und die meisten der Läden in der Nähe haben ihr Sortiment auf die Touristen ausgerichtet (davon gibt es allerdings nicht sehr viele – das macht den Unterschied!). So gesehen musste ich mir doch eingestehen, dass das, was ich dachte, dass ich es will und was ich wirklich will, nicht so ganz identisch ist. Es hat seine Vorteile, die Dinge des täglichen Lebens genau so rasch zu finden wie zu Hause. Es macht das Leben und das Reisen viel einfacher und bequemer und ich gestehe, ich geniesse es, “ de 5er und s’Weggli“ zu haben! Schande über mich…. ?

Die Tatsache, dass es Colgate (und wie sie alle heissen) auf der ganzen Welt zu kaufen gibt (ist das nun Globalisierung oder Touristen-Erwartung?), bringt mich zu einem weiteren Thema, das mich überraschend fasziniert. Wer mich kennt, der weiss, dass ich dem Einkaufen genauso wenig abgewinnen kann wie Patong; ein notwendiges Übel, ohne das das Überleben etwas schwierig würde. Umso überraschter bin ich selber, wie viel Zeit ich hier in einem Supermarkt verbringen kann (wäre da nicht die Gefahr von Frostbeulen, würde ich es vermutlich sogar noch länger aushalten ?). Wie ein kleines Kind bestaune ich die Auslagen, muss schmunzeln, wenn ich Bekanntes finde, bin fasziniert von dem Fremden und vor allem frage ich mich immer wieder aufs Neue, ob das optisch identische Produkt neben dem Bekannten wohl das Gleiche ist, einfach die thailändische Ausgabe, ist es doch ein Imitat oder ist es einfach nur Zufall, dass es gleich aussieht? Theoretisch liesse sich das natürlich einfach herausfinden, ich könnte beide kaufen und vergleichen. Doch bis anhin benötige ich noch keine neue Zahnpasta (oder was auch immer). Zudem wäre deren gleich zwei zu kaufen nur unnötiges Gewicht (gaaaaaanz heikles Thema!!) und wenn mir dann womöglich doch beide nicht entsprechen (da es sich beim Bekannten eben doch auch um eine „thailändische“ Ausgabe handelt – bereits festgestellt bei den thailändischen Marlboro Gold, die sind noch scheusslicher als Zuhause ? – und bei derjenigen mit Thai-Schrift um ein grässliches Imitat), das Experiment ökologisch etwas verwerflich, weil beide ganz rasch im Abfall landen. Vielleicht komme ich zu einem späteren Zeitpunkt darauf zurück…. Vielleicht finde ich aber auch bald zurück zu meinen alten Gewohnheiten und beschränke das Shoppen auf ein Minimum. Wäre bestimmt nicht das erste Mal, dass das Interesse mit der Zeit nachlässt…

 

Doha, Qatar – warten

8h Aufenthalt bis zum Weiterflug nach Phuket und das mitten in der Nacht. Um ehrlich zu sein, bemerkt man allerdings kaum, dass es Nacht ist. Der Transfer-Bereich hat kaum Fenster und an einem Flughafen findet man wohl zu jeder Zeit schlafende Menschen. Es ist kühl, um nicht zu sagen kalt, amerikanische aircondition-Verhältnisse! Draussen wäre es bedeutend angenehmer (kein Fingerdock bei der Ankunft), doch der Transferbereich verfügt leider über keine Terrasse oder einen sonstigen „Frischluftbereich“. Zum Glück bin ich noch für schweizerische Novemberverhältnisse angezogen.

Davon abgesehen lässt es sich an diesem Flughafen aber ganz gut warten. Für die Nahrungsaufnahme ist die Auswahl gross, von Burger King über BioFood bis hin zum high class Luxusrestaurant ist alles vorhanden. Und mit einem fetten Portemonnaie lässt sich auch ausgiebig shopppen. Schätze, sämtliche Luxuslabels sind hier vertreten, gerade so wie am Zürcher Limmatquai (ein klein wenig Heimat :-)) sowie natürlich eine Menge Duty Free Shops. Für Apple-Fans findet sich an jedem Gate ein grosszügiger Apple-Corner und für die Kleinen gibt es sogar eine Art Spielplätze (genauer angeschaut habe ich mir die allerdings nicht…. kein Bedarf). Für mich vor allem wichtig: die wifi-Qualität ist excellent und so habe ich die erste Zeit vor allem mit smsen und mailen verbracht. Irgendwann bin ich mit einer „Leidensgenossin“, einer Holländerin auf dem Heimweg, ins Gespräch gekommen und ab da verging die Zeit wie im Flug. Ich wusste ja gar nicht, wie gut ich holländisch verstehe, wenn’s nicht anders geht…. 😉

Gegen den Morgen habe ich mich auf die Toiletten gewagt (sehr sauber! Überhaupt rennt an diesem Flughafen ein riesen Kontingent an Reinigungspersonal herum – ob die schon einmal üben für die Fussball-WM?) und mich am Gate noch einmal „heimisch“ gefühlt – der Gate-Bereich erinnert stark an den Zürcher Flughafen. Und so war es fast ein wenig, als würde ich die Heimat ein zweites Mal verlassen. Dieses Mal weniger gestresst als beim ersten Mal. Musste vielleicht so sein, ein bewussteres Abschiednehmen….

Hallo Welt!

Das Leben ist eine Reise oder anders gesagt, in gewisser Weise befinden wir uns eigentlich ständig auf einer Reise, wir sind es uns nur nicht immer bewusst. Ich werde nun versuchen, das für mich zu ändern und reisse mich aus meiner bequemen – da gewohnt und bekannt – Umgebung und begebe mich immer wieder aufs Neue in die Fremde. Mal sehen, wie lange es dauert bis das zur Gewohnheit wird bzw. ob ich mich überhaupt daran gewöhnen kann 🙂 Ich gehe auf Reisen….